
jourUNfixe 2
Rosie Lee Tompkins und Half Square Triangles
Ein Werkstattgespräch mit Britta Kadolsky und Carolin Kropff.
Das Werkstattgespräch widmete sich den wunderbaren Quilts von Rosie Lee Tompkins, ihre Rolle in der Kunst aus unserer Sicht, Quiltmaking und wie Half Square Trinangles gemacht werden.
jourUNfixe am 19. 12. 2021 / 13 - 15 Uhr.
Es gibt faszinierende Kombinationen von Möglichkeiten, einen Quilt zu machen, und es gibt eine inhärente Verbindung von Quilts zu Menschen, Weisen der Herstellung, Zeit und Geschichten. Meine Untersuchung über die materialbasierten Art und Weise, farbige Oberflächen durch Nähen und Schneiden von Textilien zu gestalten, stieß mich auf die Arbeit von Rosie Lee Tompkins.
Das Werkstattgespräch nahm die Ausstellung: Rosie Lee Tompkins: A Retrospektive des BAMPFA dem UC Berkeley Art Museum and Pacific Film Archive (BAMPFA) als Referenz. Ihre wunderbaren Quilts sind auf der Webseite gut zu sehen und sind hier aus Copyright-Gründen nicht hochgeladen.
Rosie Lee Tompkins war ein Synonym von Effie Mae Howard (1936-2006. In den 80 Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckte der Quiltsammler und Psychologe Eli Leon (1935-2018) ihre Quilts auf einem Flohmarkt in North Oakland und unterstützte sie fortan.
Rosie Lee Tompkins gilt heute weithin als eine der virtuosesten und erfindungsreichsten Quiltmacherinnen ihrer Zeit. Mittlerweile wird ihr Werk nicht mehr nur im Kontext des Quiltens betrachtet, sondern ist als Kunst etabliert.
Ihre Patchworkarbeiten, die sie nicht selbst gequiltet hat, konstruierte sie aus neuen und gebrauchten Stoffen, die von Samt, Filz, Jeans, Kunstpelz bis hin zu Glitzer- und Polyesterstoffen reichen. Neben der Vielfalt der unterschiedlichen Stoffqualitäten bestehen die Muster auch aus einer Vielzahl von scheinbar improvisierten Blöcken, wie dem Half Square Triangle, dem Medaillon und Log Cabin, dazu kommen Applikationen, Yoyos und Stickereien, die alle frei und scheinbar mühelos miteinander verbunden sind. Der Farbkontrast ist lebhaft. Gestickt werden Zahlen und Bibeltexte. Auch greift sie zeitgenössische Ereignisse auf, die oft mit dem Leben der afroamerikanischen Bevölkerung der USA verbunden sind.
Effie Mea Howard war nicht an Öffentlichkeit interessiert, was die Wahl eines Künstlernamens erklärt. Sie war sehr religiös und glaubte unbedingt, dass Gott ihre Hand bei ihrer Arbeit leitet. Sie lernte das Quilten von ihrer Mutter.
Sie war Krankenschwester und Mutter von 5 Kindern, inklusive ihrer Steppkinder.
JourUNfixe 2 bot Raum für Gespräche über das Quilten als künstlerische und soziale Praxis. Die Quilts von Rosie Lee Tompkins dienten als Anlass für die Reflexion.
Das Werkstattgespräch mit dem materiellen Akt der Herstellung, der physischen, taktilen Nachgestaltung, eröffnete einen gemeinsamen Austausch über materielle und immaterielle Bedingungen. Gemeinsam besprachen wir ihre Geschichte und ihre Arbeit. Im Nachvollzug erlangten wir zu einem tieferen Verständnis über die materiellen Vorgaben, wie der Qualität der Stoffe, die oft gebraucht waren, der Patchwork-Konstruktion wie dem Half Square Triangle und dem Medaillon, und von Improvisationen und Regelbrechungen gepaart mit den sozialen und spirituellen Bezügen, die typisch sind für Tompkins Arbeit.
Ich möchte Tompkins' Quilten mit dem Konzept des "stillen Aktivismus" in Verbindung bringen: ein stiller und effektiver Aktivismus, der in das tägliche Leben eingebettet ist. Einem Artikel zufolge, den ich auf der Stitching Together Research Website gefunden habe, bezieht sich der Begriff auf kreatives Schaffen, das weitgehend als häuslich und amateurhaft abgetan und übersehen wird. Die oft in Co-Produktion und Reflexion entstandenen "Interventionen" des Amateurhandwerks, die eine Form der Kreativität bezeichnen, finden am kulturellen Rand statt, stehen aber im Zentrum der Alltagserfahrung. In meinen Augen ist dies eine perfekte Beschreibung ihrer und vieler anderer Quilts von vielen anderen Macher:innen.
JourUNfixe 2 war nicht das letzte Werkstattgespräch, das partizipative kunstbasierte Methoden des gemeinschaftlichen Machens erproben möchte. Es nimmt die Beziehung zwischen Kunst, Kunsthandwerk, das gemeinsame Machen und materieller Wirkung zum Anlass, um mehr über uns und andere zu erfahren, um Fragen zu stellen, Gemeinsamkeiten zu finden und die Welt, in der wir leben, zu reflektieren. Wir können uns machend einen Ort in dieser Welt sichern und einen eigenen Fingerabdruck hinterlassen.
Stitching Together-Research ist ein Forschungsnetzwerk, das Forscher, professionelle Textilhandwerker, Projektauftraggeber und Textilenthusiasten zusammen, um den kritischen Dialog über die partizipative Textilarbeit - die Herstellung von Textilien mit anderen - in Forschung und Praxis zu fördern. (Dr. Emma Shercliff (Arts University Bournemouth) und Dr. Amy Twigger Holroyd (Nottingham Trent University).
jourUNfixe wurde von der Hessischen Kulturstiftung unterstützt!




